KI als Disruptor: Wie die Medienbranche vor ihrer grössten Herausforderung steht

Die Medienbranche befindet sich an einem kritischenWendepunkt. Mit der Einführung von Googles "AI Mode" in Deutschland und der Schweiz am 8. Oktober 2025 wird eine Entwicklung beschleunigt, die das Fundament der digitalen Nachrichtenwelt erschüttern könnte (Blick, 2025; SEOSüdwest, 2025). Während KI-gestützte Suchantworten für Nutzer zunächst bequemerer scheinen mögen, stellen sie für Medienunternehmen eine existenzielleBedrohung dar, die weit über technische Veränderungen hinausgeht.

Die grössten KI-bedingten Herausforderungen für dieMedienbranche
Das Zero-Click-Internet: Das Ende des traditionellen Nachrichtenkonsums
Die neue Suchlogik verändert alles
Mit Googles AI Mode und ähnlichen KI-gestütztenSuchfunktionen erleben wir den Übergang vom traditionellen Internet der Links zu einem Internet der direkten Antworten (Handelszeitung, 2025; TrendingTopics, 2025). Nach aktuellen Studien enden bereits heute 58,5 Prozent aller Google-Suchanfragen in den USA und 59,7 Prozent in der EU als sogenannte Zero-Click-Suchen – ohne dass Nutzer auf externe Webseiten klicken (SearchEngine Land, 2024). Diese Entwicklung wird durch KI-generierte Antworten massiv verstärkt.
Das Phänomen ist keineswegs neu, hat aber durch generative KI eine völlig neue Dimension erreicht. Während Google seit 2007 einfache Fragen wie Währungsumrechnungen oder Rechenaufgaben direkt beantwortet, können heute komplexe journalistische Inhalte zusammengefasst und ohne Klick auf die ursprüngliche Quelle konsumiert werden (JSH Marketing, 2025; Zehnder, 2025).

Entwicklung der Marktanteile: Von der Google-Dominanz zur KI-Konkurrenz
Konkrete Auswirkungen auf die Reichweite
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Eine Analyse von 300.000 Keywords zeigt, dass die Präsenz eines AI-Overviews dazu führt, dass die Klickrate für das erste klassische Suchresultat um 34,5 Prozent sinkt (Ahrefs, 2025). Laut Similarweb stieg der Anteil der Zero-Click-Suchen von 56 Prozent auf 69 Prozent zwischen Mai 2024 und Mai 2025 (Search Engine Land,2025). Für Medienunternehmen, die teilweise zu 20 bis 40 Prozent von Suchmaschinen-Traffic abhängig sind (Digital Content Next, 2024), bedeutet die seinen direkten Eingriff in ihr Geschäftsmodell.
Besonders betroffen sind dabei nicht die aktuellen News-Inhalte, sondern Evergreen-Content, Ratgeber und Erklärformate (SearchEngine Journal, 2025). Diese Inhalte, die oft als Traffic-Magneten dienten,werden zunehmend durch KI-Antworten substituiert. Aktuelle Nachrichten hingegen profitieren noch von Googles Top-News-Bereichen, die seltener durch AI-Overviews ersetzt werden.
Neue Machtverhältnisse: Wenn Tech-Konzerne zu Gatekeepern werden
Die Konzentration der Marktmacht
Die KI-Revolution verstärkt die bereits bestehende Abhängigkeit der Medienbranche von Tech-Konzernen dramatisch. Google dominiert mit einem Marktanteil von 85,01 Prozent in der Schweiz (StatCounter, 2025), während bei den KI-Chatbots ChatGPT mit 81,13 Prozent eine ähnlich dominante Position innehat (StatCounter, 2025). Diese Konzentration bedeutet, dass wenige Unternehmen entscheiden, welche Informationen wie präsentiert werden.
Besonders problematisch wird dies, wenn man bedenkt, dass der Grossteil des durch KI-Chatbots generierten Web-Traffics von nur wenigen Anbietern stammt: ChatGPT führt mit über 80 Prozent Marktanteil, gefolgt von Perplexity mit rund 11 Prozent und Microsoft Copilot mit etwa 4 Prozent (StatCounter, 2025). Für Medienunternehmen bedeutet dies eine weitere Verengung der Distributionskanäle.
Monetarisierung ohne Gegenleistung
Ein besonders brisanter Aspekt ist die Verwendung journalistischer Inhalte durch KI-Systeme ohne angemessene Kompensation. Wie eine Studie des Medienverbands MVFP zeigt, sehen 77 Prozent der Medienunternehmen KI zwar als Chance, gleichzeitig befürchten sie aber den "massiven digitalen Traffic-Verlust durch neue Such-Methodik" (MVFP& Statista, 2025).
Google und andere Tech-Konzerne nutzen journalistischeInhalte zur Verbesserung ihrer KI-Modelle und generieren damit Werbeerlöse, während die ursprünglichen Produzenten leer ausgehen (Persönlich, 2025). Einzelne Verlage wie Axel Springer haben bereits Lizenzverträge mit OpenAI abgeschlossen, doch für die meisten Medienunternehmen bleiben solche Vereinbarungen unerreichbar (T3N, 2024; Persönlich, 2025).
Strategische Herausforderungen und Lösungsansätze
Das Qualitätsparadox
Ein zentraler Widerspruch prägt die aktuelle Entwicklung: Während KI-Systeme zunehmend auf qualitativ hochwertige journalistische Inhalte angewiesen sind, untergraben sie gleichzeitig die ökonomische Basis für deren Produktion (Zehnder, 2025; RTR Austria, 2023). In einer von KI-generiertenInhalten überfluteten Digitalwelt gewinnt professioneller Journalismus paradoxerweise an Wert – verliert aber seine Finanzierungsgrundlage.
Medienunternehmen stehen vor der schwierigen Aufgabe, ihre Inhalte für KI-Systeme optimieren zu müssen (AI Optimization - AIO), ohne dabei die Kontrolle über ihre Distribution zu verlieren (Digital Content Next, 2025). Dies erfordert neue Kompetenzen und Strategien, die über traditionelle Suchmaschinen optimierung hinausgehen.
Eigene Kanäle als Rettungsanker
Die erfolgreichsten Medienunternehmen setzen bereits heute auf die Diversifikation ihrer Distributionskanäle. Newsletter, Podcasts, Community-Formate und direkte Kundenansprache gewinnen an Bedeutung (RingPublishing, 2025; JSH Marketing, 2025). Diese Strategien zielen darauf ab, die Abhängigkeit von Suchmaschinen-Traffic zu reduzieren und direkte Beziehungen zur Leserschaft aufzubauen.
Laut Bain & Company verlassen sich bereits 80 Prozent der Konsumenten bei mindestens 40 Prozent ihrer Suchen auf "Zero-Click"-Ergebnisse, was den organischen Web-Traffic umgeschätzte 15 bis 25 Prozent reduziert (Bain & Company, 2025). Besonders vielversprechend sind multimodale Ansätze, die verschiedene Content-Formate integrieren.
Kooperation statt Konfrontation?
Ein pragmatischer Ansatz besteht in strategischen Partnerschaften mit KI-Anbietern. Erste Beispiele wie der Deal zwischen Springer und OpenAI zeigen, dass Kooperationen möglich sind (MVFP & Statista, 2025; T3N, 2024). Für kleinere Medienunternehmen könnten Branchenverbände als Vermittler fungieren und kollektive Verhandlungsmacht schaffen.
Gleichzeitig entwickeln sich neue Intermediäre, die Monetarisierungsmodelle für die Nutzung von Inhalten durch KI-Systeme anbieten. Diese Ansätze befinden sich jedoch noch in der Experimentierphase und ihre langfristige Wirksamkeit bleibt ungewiss.
Die Zeitenwende: Was auf die Medienbranche zukommt
Technologische Beschleunigung trifft auf regulatorische Lücken
Die Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung übertrifft bei weitem die Anpassungsfähigkeit regulatorischer Rahmen. Während n der EU der AI Act erste Regeln setzt, fehlen in der Schweiz umfassende KI-Gesetze. Diese regulatorische Unsicherheit erschwert strategische Planungen und begünstigt die marktbeherrschenden Tech-Konzerne.
Besonders problematisch ist das Fehlen eines umfassenden Leistungsschutzrechts, das Medienunternehmen eine Handhabe gegen die unentgeltliche Nutzung ihrer Inhalte geben würde. Ohne gesetzliche Grundlagen sind die Verlage auf freiwillige Vereinbarungen mit den Tech-Konzernen angewiesen.
Drei Szenarien für die Zukunft
Pessimistisches Szenario: Eine rasche und disruptive Entwicklung führt innerhalb von ein bis zwei Jahren zum weitgehenden Versiegendes organischen Suchmaschinen-Traffics. KI-Antworten werden zum neuen Standard und traditionelle Suchergebnisse zur Randerscheinung. Bereits heute warnen Branchenexperten vor einem "Google Zero"-Szenario (Caliber.az, 2025).
Realistisches Szenario: Der Wandel vollzieht sich heterogen, mit generationsbedingten Unterschieden. Jüngere Nutzer adaptieren KI-gestützte Suchen schneller, während ältere Zielgruppen länger bei klassischen Suchmaschinen bleiben. Aktuelle News bleiben weniger betroffen als Evergreen-Content (Search Engine Land, 2025).
Optimistisches Szenario: Zero-Click-Suchen nehmen nur langsam zu, Suchmaschinen bleiben für News zentral, und die Branche erhält Zeit für Anpassungen bei gleichzeitiger regulatorischer Unterstützung.
Fazit: Transformation alsÜberlebenschance
Die Einführung von Googles AI Mode markiert nicht nur einen technischen Meilenstein, sondern eine fundamentale Neuordnung der Medienlandschaft (Der Bund, 2025; 20 Minuten, 2025). Medienunternehmen stehen vor der Wahl: Entweder sie gestalten diesen Wandel aktiv mit oder sie werden von ihm überrollt.
Die grösste Herausforderung liegt nicht in der Technologie selbst, sondern in der Geschwindigkeit der notwendigen Anpassung. Während die technologische Entwicklung exponentiell verläuft, müssen Medienunternehmen ihre Geschäftsmodelle, Produktionsweisen und Distributionsstrategien grundlegend überdenken. Bereits heute berichten führende Nachrichtenseiten von Traffic-Rückgängen bis zu 50 Prozent (Search Engine Land, 2025).
Entscheidend wird sein, ob es der Branche gelingt, ihre unersetzlichen Stärken – Vertrauenswürdigkeit, journalistische Qualität und lokale Expertise – in der neuen KI-dominierten Welt zu monetarisieren. Die Zeit dafür wird knapp, aber die Chancen bestehen noch.
Wer jetzt handelt, kann die KI-Revolution von einer Bedrohung zu einer Chance machen. (Aldo Gnocchi, 2025)
Literaturverzeichnis
20 Minuten. (2025, 7. Oktober). Google aktiviert KI-Modus in der Schweiz. https://www.20min.ch/story/internet-gigant-ki-modus-in-google-suche-kommt-in-die-schweiz-103429853
Ahrefs. (2025, 16. April). AI Overviews Reduce Clicks by 34.5%. https://ahrefs.com/blog/ai-overviews-reduce-clicks/
Bain & Company. (2025, 18. Februar). Goodbye Clicks,Hello AI: Zero-Click Search Redefines Marketing. https://www.bain.com/insights/goodbye-clicks-hello-ai-zero-click-search-redefines-marketing/
Blick. (2025, 6. Oktober). Google schaltet KI-Turbo scharf: So verändert er die Suche. https://www.blick.ch/digital/ai-mode-kommt-in-die-schweiz-google-schaltet-ki-turbo-scharf-so-veraendert-er-die-suche-id21302675.html
Caliber.az. (2025, 25. August). Publishers brace for "Google zero" as AI search tools threaten traffic. https://caliber.az/en/post/publishers-brace-for-google-zero-as-ai-search-tools-threaten-traffic
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Digital Content Next. (2025, 5. Mai). Google's AI overviews linked to lower publisher clicks. https://digitalcontentnext.org/blog/2025/05/06/googles-ai-overviews-linked-to-lower-publisher-clicks/
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